Die Entdeckung des LSD

Die „Entdeckung“ des wohl mit Abstand bekanntesten Halluzinogens, das in den 60er Jahren eine Revolution im Denken und den Bruch mit damaligen gesellschaftlichen Glaubens und Moralvorstellungen begleitete (auslöste?), wird oft als großer Zufall dargestellt.
Dem sehr seriösen Schweizer Chemiker Albert Hofmann wäre doch nie in den Sinn gekommen aktiv nach einer solchen Substanz zu suchen…

Wenn sich (wie immer bei dem Vorstoß in neues unbekanntes Terrain) doch auch hier der Zufall einmischte, war es keineswegs so, dass Hoffmann sich etwa mit Themen wie Düngemittel oder Sprengstoffen beschäftigte.
Das Zentrum seiner Forschung waren der Mutterkornpilz, die LSA-haltigen Samen der Prunkwinde und Ololiuqui und ebenso psilocybinhaltige Pilze sowie Salvia divinorum (Azteken Salbei).
Hofmann war also keineswegs uninteressiert an psychoaktiven Substanzen, im Gegenteil, er setzte sich Zeit seines Lebens für den legalen Einsatz Selbiger für therapeutische Zwecke ein. Genauso warnte er vor einem kopflosen und naivem Gebrauch solcher Substanzen, wie er in den 60er Jahren von vielen propagiert und betrieben wurde.
Wenn er auch in diesem Kontext den Psychologen Timothy Leary, der in Harvard mit seinen Studenten regelrechte Acid-Partys schmiss und die Wunderdroge als Abkürzung zur Erleuchtung propagierte, aufs Schärfste kritisierte, pflegte er mit den Dunstkreis um Leary, Huxley, Watts und Ginsberg (um nur einige zu nennen), die neben ihren Legalisierungskampangen auch eine große Rolle in der amerikanischen Free-Speech Bewegung einnahmen, regen Kontakt.
Bis zu letzt beschäftige er sich mit den Heil und Wundermitteln die uns die Natur darbietet und ihren Einfluss auf unser Bewusstsein.
Klingt nach einem echten Psychonauten oder? Hoffmann wurde übrigens 102 Jahre alt!

Hofman im Alter von 100 Jahren


Doch genug des Fanboy-tums wer sich näher mit dem „Vater der Wunderdroge“ beschäftigen möchte, dem sei sein Buch LSD Mein Sorgenkind aufs aller Wärmste empfohlen.
Kommen wir zurück zur Geschichte der glorreichen Entdeckung von Lysergsäurediethylamid.

Wie bereits erwähnt beschäftigte sich unser Freund Albert mit den Alkaloiden des Mutterkornpilzes.

Mutterkornpilz an einer Roggenäre

Es handelt sich um einen Getreide befallenden Pilz der eine Reihe an giftigen Alkaloiden, sogenannte Ergotalkaloide, produziert. In sehr hoher Dosierung verursachen Ergotalkaloide eine starke Verengung der arteriellen Blutgefäße. Dies führt unter heftigen, brennenden Schmerzen in den befallenen Gefäßen zu einer Mangeldurchblutung bis hin zum völligen Blutstillstand.
Da im Mittelalter der Roggen und damit das daraus hergestellte Brot bis zu zwanzig Prozent Mutterkorn enthielt, brachen nach der Ernte immer wieder Mutterkornvergiftungen in verschiedenen Teilen Europas seuchenartig aus.
Die Bilder die in dieser Zeit enstanden erinnern durchwegs an Horrortrips


Mutterkorn enthält unter seinen vielzähligen Alkaloiden auch Lysergsäure.
Hofmann wollte genau diese Substanz genauer unter die Lupe nehmen und ein strukturell ähnliches Kreislaufstimulanz entwickeln.
Das 25. der verschiedenen Aminderivate (in Hoffmanns Aufzeichnungen LSD-25) sollte dann Lysergsäurediethylamid werden.
In Tierversuchen löste der Stoff Unruhe unter den Tieren aus, kein Wunder die Ratten waren alle hart am trippen, doch aus Mangel an pharmakologisch verwertbarer Eigenschaften stellte Hoffmann seine Experimente mit LSD-25 ein. Dies geschah 1938.
5 Jahre später entschied sich Hoffmann seine alte Forschung wieder aufzunehmen und synthetisierte abermals die verschiedenen Lysergsäure-Derivate.
Hier kommt nun tatsächlich der Zufall ins Spiel, denn scheinbar muss dem so sorgfältigen Schweizer ein wenig der Substanz LSD-25 auf die Finger gekommen sein. Wie den geübten Psychonauten unter euch bestimmt bewusst ist, wirkt LSD bereits in absurd geringer Dosierung. Hofmann sollte also froh sein seine Finger nicht abgeschleckt zu haben, reichte doch schon die reine Berührung aus um den Wirkstoff ins Blut und weiter ins Gehirn zu bekommen. Er brach seine Arbeit ab, da er sich zunehmend unwohl und beeinflusst fühlte, fuhr nach Hause und hatte für etwa 2 Stunden „farbige, kaleidoskopartige Visionen“.
Von der Neugierde gepackt entschied er sich mutig für einen Selbstversuch den er am 19. April 1943 ausführte.
Albert war natürlich verantwortungsvoll und vorsichtig. Daher wollte er mit der geringstmöglichen Dosierung beginnen. Dass diese ein Äquivalent von 2 modernen „Trips“ darstellen würde, hätte er sich wohl beim besten Willen nicht vorstellen können.
Etwa eine Dreiviertelstunde nach der Einnahme zeigten sich Schwindel und Angstgefühle, die ihn dazu veranlassten sein Labor zu verlassen und sich auf den Heimweg zu machen. Seine Assistentin begleitete ihn.
Doch sie gingen nicht zu Fuß sondern fuhren mit dem Fahrrad!!!
Man stelle sich vor zum erstmal komplett auf Acid auf ein Fahrrad zu steigen.
Albert darüber in seinen eigenen Worten:

Schon auf dem Heimweg mit dem Fahrrad […] nahm mein Zustand bedrohliche Formen an. Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel. Auch hatte ich das Gefühl, mit dem Fahrrad nicht vom Fleck zu kommen. Indessen sagte mir später meine Assistentin, wir seien sehr schnell gefahren.

Diese skurrile Heldentat ließ den 16.April unter Psychonauten zum internationalen Bicycle-Day werden.
Sicher zu Hause angekommen durchlebte Albert einige schlimme Stunden:

Meine Umgebung hatte sich nun in beängstigender Weise verwandelt. […] die vertrauten Gegenstände nahmen groteske, meist bedrohliche Formen an. Sie waren in dauernder Bewegung, wie belebt, wie von innerer Unruhe erfüllt. Die Nachbarsfrau […] war nicht mehr Frau R., sondern eine bösartige, heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze. etc. etc.“

Doch der Trip wandelte sich abschließend noch:
Jetzt begann ich allmählich, das unerhörte Farben- und Formenspiel zu genießen, das hinter meinen geschlossenen Augen andauerte. Kaleidoskopartig sich verändernd drangen bunte phantastische Gebilde auf mich ein, in Kreisen und Spiralen sich öffnend und wieder schließend, in Farbfontänen zersprühend, sich neu ordnend und kreuzend, in ständigem Fluss. Besonders merkwürdig war, wie alle akustischen Wahrnehmungen, etwa das Geräusch einer Türklinke oder eines vorbeifahrenden Autos, sich in optische Empfindungen verwandelten. Jeder Laut erzeugte ein in Form und Farbe entsprechendes, lebendig wechselndes Bild

So war auch die Wirkung der Substanz Lysergsäurediethylamid die Hofman bereits 5 Jahre zuvor synthetisierte, entdeckt.
Der Zufall hatte seine Finger im Spiel, doch wie Hofman es mit eigenen Worten ausdrückt, war das LSD zu ihm gekommen.

Es ist nicht nur einfach das bekannte Bild, ein bisschen verzerrter oder bunter, es ist ein völlig anderes Programm. Und das deshalb, weil LSD unsere Sinne verändert, man sieht besser, man hört besser, alles wird intensiviert – insofern hatte auch Timothy Leary Recht, wenn er behauptet, es sei auch das größte Aphrodisiakum. Der Mechanismus des LSD ist ganz einfach: die Tore der Wahrnehmung werden geöffnet und wir sehen plötzlich mehr – von der Wahrheit

Danke Albert!!