Im Reich der Pilze

Wer im ausklingenden Sommer oder Herbst durch die Wälder streift, kann deren volle Pracht erleben. Denn zu dieser Zeit sprießen an jeder Ecke die kleinen Zwerge und Verwalter des Waldes aus dem Boden. In einer Vielzahl an Farben und Formen zeigen sich hier die ältesten und mysteriösesten Landlebewesen und heimlichen Herrscher der Erde.

Pilze sind alt!
Dass das Leben im Wasser entstand und mit dem Landgang der Pflanzen langsam unseren ganzen Planeten überzog, ist uns aus der Schule bekannt.
Doch der Schritt aus dem wässrigen Milieu, in dem Nährstoffe frei verfügbar herumschwammen, auf die harte, trockene Erdkruste war kein leichter.
Neueste Forschungsergebnisse legen nahe, dass dieser Schritt nur durch die Symbiose mit Pilzen geglückt ist. Bereits in frühesten Pflanzenfossilien finden sich auch Sporen von sogenannter arbuskulärer Mykorrhiza. Solche Symbiosen spielen bis heute eine wichtige Rolle in der Pflanzenwelt.
Die für die Kooperation mit Pilzen entscheidenden Gene lassen sich in Grünalgen nachweisen. Die Vorfahren der Pflanzen konnten also bereits mit den Pilzen zusammenarbeiten, bevor sie das Land eroberten.

Der Landgang der Pflanzen geschah vor etwa 450 Millionen Jahren.
2017 fand eine skandinavische Forschungsgruppe Myzelartige Strukturen in einer Pore in Basalt, der sich vor etwa zweieinhalb Milliarden Jahren am Meeresboden bildete. Damit wären pilzartige Strukturen zwei- bis dreimal so alt, wie man den Pilzen insgesamt bisher zugetraut hätte.

2,5 Milliarden Jahre altes pilzartiges Geflecht. Entstanden Pilzstrukturen bereits zur Hälfte des Erdzeitalters?

Wie dem auch sei, Pilze sind sehr, sehr alt. Und sie zählen weder zu dem Reich der Pflanzen noch der Tiere, sondern bilden das dritte große Reich eukaryotischer Lebewesen.

Das Internet des Waldes

Rasterelektronenmikroskop Aufnahme eines Pilzgeflechtes in Waldboden.

Im Ökosystem Wald herrscht eine rege Kommunikation. Bäume und Pflanzen warnen sich etwa gegenseitig mit Duftstoffen vor Schädlingen, können verschiedene Botenstoffe durch ihre Wurzeln übertragen. und tauschen außerdem verschiedene Nährstoffe über ein riesiges, unterirdisches Pilzgeflecht aus. Dieses „Wood Wide Web“ hat gigantische Ausmaße. Seine Strukturen wurden von Biologen mit neuronalen Netzen verglichen. Quasi das Gehirn des Waldes. Ein zusammenhängendes Pilzgeflecht kann sich über mehrere hundert Quadratmeter erstrecken und zahlreiche Bäume und Pflanzen miteinander Verknüpfen. So erstreckt sich zum Beispiel ein Hallimasch in Oregon über neun Quadratkilometer. Sein Alter wird auf stolze 2.400 Jahre geschätzt. Damit ist dieser Pilz das größte und älteste uns bekannte Lebewesen dieser Welt. (Edit: Die Baumkolonie „Pando“ die aus Bäumed identischen Erbguts besteht und durch ein Wurzelgeflecht verbunden ist, ist ebenfalls mehrere tausend Jahre alt)

Die Fruchtkörper des honiggelben Hallimasch verraten nichts von seiner gigantischen Größe.

In einem Hektar Waldboden finden sich bis zu 6 Tonnen Pilzfäden.
Diese feinen Fäden werden Hyphen genannt. Sie weben sich in die Pflanzenwurzeln ein und bilden ein sogenanntes Mykorrhiza zusammen (griech. Pilz (mykes) und Wurzel (rhíza)) .
Über diesen Zusammenschluss wird ein Tauschhandel betrieben. Die Pilze erhalten Einfachzucker, die die Pflanzen aus der Photosynthese gewinnen. Im Gegenzug liefern sie Phosphor und Stickstoff, essentielle Stoffe für den Stoffwechsel der Pflanzen.

Speisepilze:
Die Fruchtkörper verschiedenster Pilze zählen seit Jahrtausenden zu unserem Speiseplan. Vor allem wegen ihrer Würzkraft und unterschiedlichsten Aromen geschätzt, wurden die Früchte des Waldes fleißig gesammelt und und unter den unterschiedlichsten Namen mündlich und schriftlich überliefert. Doch nicht nur Gaumenfreuden wachsen in den Wälder und Wiesen. Zahlreiche mitunter tödlich giftige Exemplare finden sich ebenso. Die Kunst des Pilzesammelns will also gelernt sein. Grundsätzlich lässt sich der Großteil der Speisepilze in zwei große Gruppen einordnen:
Röhrenpilze und Blätterpilze (Lamellenpilze). (Für die Nichtblätterpilze, Schichtpilze und Porlinge sei auf den „großen Kosmos Pilzführer“ verwiesen.)
Diese Einteilung bezieht sich auf die Hutunterseite in der die Sporen produziert werden.

Röhrenpilze:
Wer mit dem Pilze sammeln beginnen möchte, sollte sich zunächst am besten an die Röhrlinge wagen. Nur sehr wenige Exemplare sind giftig und diese sind gut bestimmbar.
Vorsicht ist geboten bei bauchigem rotem Stiel, gelben Röhren und bläuenden Druckstellen. Dies sind die Merkmale der Gattung Rubroboletus zu denen die meisten giftigen oder ungenießbare Röhrlinge zählen. Pilze mit solchen Merkmalen müssen penibel genau bestimmt werden, am besten von einer Pilzberatungsstelle.

Die Namen dieser Pilze sprechen für sich, vor allem der Satansröhling verursacht schwere Magen-Darm Störungen. Der Flockenstielige Hexenröhrling wie auch der Trügerische Hexenpilz wirken erst dann toxisch wenn sie in Kombination mit Alkohol eingenommen werden.
Am schwersten zu bestimmen in dieser Gruppe ist der Gallenröhrling, der sehr oft mit Steinpilzen verwechselt wird. Dieser Pilz ist nicht giftig, schmeckt jedoch wie der Name schon sagt Gallenbitter und versaut so ganze Pilzgerichte. Die sichersten Bestimmungsmerkmale sind das Netzförmige Stielmuster und die leicht rötlichen Röhren. Allerding tritt diese Färbung erst bei älteren Exemplaren auf. Um auch junge Pilze richtig zu bestimmen kann eine Anschnitt Stelle vorsichtig gekostet werden. Der bittere Geschmack tritt sofort auf, ist allerdings nicht giftig.

Nun einige Beispiele der schmackhaftesten Röhrlinge, die jedes Pilzjägerherz höher schlagen lassen:

Wie die Namen schon verraten, haben diese Pilze etwas mit bestimmten Bäumen zu tun. So bildet der Birkenpilz beispielsweise die Mykorrhiza Symbiose mit Birken aus und wächst ausschließlich in deren näherer Umgebung. Wer also einen bestimmten Pilz finden möchte muss nach den richtigen Bäumen suchen.
!Edit: Der Maronenröhrling steht im Verdacht strahlenbelastet zu sein und radioaktives Cäsium, das bei der Tschernobyl Katastrophe entstand vermehrt einzulagern!
Wer mehr Information zu verschiedensten Röhrlingen sucht sei hierhin verwiesen.

Lamellenpilze:
Das Spektrum der Lamellenpilze ist wesentlich größer, als das der Röhrenpilze. Hier tummeln sich einige hoch geschätzte Delikatessen aber auch tödlich giftige Vertreter!
Hier reicht es nicht mehr einige Merkmale zu kennen, um die ungenießbaren und giftigen Kandidaten auszuschließen. Jeder Pilz muss einzeln bestimmt werden und am besten „spezialisiert“ man sich auf eine Hand voll Exemplare die man sicher und immer bestimmen kann. Dazu gehört auch sämtliche Doppelgänger und ähnliche Pilze zu kennen.
Hier einige bekannte und beliebte Lamellenpilze die einfach zu bestimmen sind:

Am bekanntesten sind bestimmt das Eierschwammerl und der Parasol, doch auch hier gilt es folgende giftige Doppelgänger zu kennen und von den genießbaren unterscheiden zu können:

Während das falsche Eierschwammerl zu einer unangenehmen aber harmlosen Magendarm-Verstimmung führt und der Stinkschirmling aufgrund seines widerlichen Geruchs erst gar nicht verzehrt wird (Achtung trotzdem vor kleinen Schirmlingen, es gibt einige giftige Vertreter), gibt es
immer wieder Meldungen von Todesfällen durch die giftigsten Vertreter des Pilzreiches: dem grünen und dem weißen Knollenblätterpilz

Vor allem junge Exemplare des weißen Knollenblätterpilz werden oft mit Champions verwechselt.
Das tückische an diesem Pilz ist, dass die ersten Vergiftungssymptome erst nach 8 Stunden eintreten, wenn es für das Auspumpen des Magens bereits zu spät ist. Nach etwa drei bis vier Tagen scheinen sich Patienten zu erholen, doch nach etwa zwei weiteren Tage kommt es zu Leberversagen durch tödliche Amatoxine.
Etwa 90% der tödlichen Pilzvergiftungen sind auf den Knollenblätterpilz zurückzuführen.

Das Pilze Sammeln erlernt man am besten durch eine Lehrmeister*in, denn kein Buch/ App/ Website, nimmt es euch ab den Pilz selbstständig im Wald zu bestimmen.
Es gilt immer, ist ein Pilz nicht 100% bestimmbar bleibt er stehen!
Zum Abschluss hier meine persönlichen Top 10 der Speisepilze.

Platz 10: Herbsttrompete: Ein wandelbarer Pilz. Das Aroma verändert sich beim Trocknen in ein fruchtig erdiges, während die frisch Verarbeiteten Pilze mehr an Röhrlinge erinnern.
Platz 9: Habichtspilz: der beste Würzpilz den es gibt. Der Pilz wird getrocknet und zu Pulver verarbeitet. Es gibt keinen Ersatz für dieses Aroma!!!
Platz 8: Semmelstoppelpilz: In den meisten Pilzbüchern als Pilz zweiter Klasse verkannt. Doch durch sein festes Fleisch eignet er sich wie kein anderer Pilz zum panieren und rausbacken. Ich kenne keinen besseren Fleischersatz!!!
Platz 7: Weißer Birkenpilz: Äußerst selten, habe ihn bisher nur in Schweden gefunden. Mildes beinahe fruchtiges Aroma. Am besten mit keinem anderen Pilz mischen!!!
Platz 6: Eierschwammerl: Klassisch, spricht für sich. Nichts kann ein Eierschwammerlgulasch schlagen.
Platz 5: Krause Glucke: Bezaubernder Korallenpilz (unter Kiefern). Am besten scharf mit viel Pfeffer anbraten und mit Bandnudeln servieren.
Platz 4: Steinpilz: Ein weiterer Klassiker. Einfach der König der Röhrlinge.
Platz 3: Milchbrätling: Der beste Bratpilz. Salzen und dann solange braten bis Sie richtig knusprig sind. Entwickelt ein Aroma wie gebratener Fisch.
Platz 2: Perlpilz: Dieser Bruder des Fliegenpilzes und Knollenblätterpilzes (alle aus der Ammanita Familie) hat gleich 7 Giftpilze zum Doppelgänger und ist roh ebenfalls sehr giftig.
Richtig bestimmt und zubereitet gibt er jedoch die beste Pilzsuppe die es gibt.
Platz 1: Grüngefelderter Täubling: Auch dieser Pilz bekommt in den Pilzbüchern nicht seinen gebührenden Respekt. Unter kundigen Pilzgourmets ist er ein Geheimtipp und quasi eine verbesserte Version des Parasols. Er vereint das spezifische Parasolaroma mit der Fruchtigkeit der Täublinge und hat zugleich ein ungewöhnlich festes Fleisch für Lamellenpilze und eignet sich somit auch als Bratpilz.

Ohne Konkurrenz weil nie gefunden: Der sagenumwobene Kaiserling.
Langjährige, kundige Pilzsammler erzählen von den Funden wie von vergangenen Liebesabenteuern und brechen bei der Beschreibung des Geschmacks nahezu in ekstatische Euphorie aus.
Der Pilz ist ebenfalls ein Ammanita, sollte jedoch am besten roh mit ein wenig Olivenöl und Balsamico verzehrt werden.
Er gehört zu den seltensten Pilzen Mitteleuropas und ist ein seit der Antike hoch geschätzter Speisepilz. Sein Name verrät seine Besonderheit. Er galt als so kostbar, dass er nur den jeweiligen Herrschern vorbehalten war.

Der Vorsatz: Einmal im Leben einen Kaiserling finden…

Viel Freude beim Suchen, Finden und Bestimmen.

Weiterführende Links:
https://www.spektrum.de/news/urpilze-krempeln-geschichte-des-lebens-um/1454023
https://de.wikipedia.org/wiki/Pilze#Bedeutung_f%C3%BCr_den_Menschen
https://www.geo.de/natur/oekologie/9156-rtkl-palaeobiologie-landgang-mit-pilz
http://www.pilzkunde.de/index.php/pilze-themen/giftpilze
https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.pilze-erstaunliche-lebewesen-die-heimlichen-herrscher-der-welt.ff5001a3-2ac9-44ad-898d-c951fb3b9d8f.html

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